Schutzkonzept

Verhaltenskodex zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt

Der vorliegende Verhaltenskodex des Gymnasium Calvarienberg wurde von allen Gremien der Schule beschlossen und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Schule und Schulstiftung unterschrieben.

Achtsamkeitspräambel

Im Einklang mit dem Selbstverständnis und den Erziehungszielen des Gymnasiums Calvarienberg unterstützt dieser Verhaltenskodex das Ziel der Schule, eine Kultur der Transparenz und Achtsamkeit, des Respekts und Vertrauens zu bewahren und zu verbreitern. Er leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, das Gymnasium Calvarienberg als einen Ort zu erhalten, der Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützt. Mit seiner Hilfe sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv dazu beitragen, das Risiko für grenzverletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten zu minimieren. In dieser Hinsicht dient der Kodex als Orientierungsfaden für alle ehrenamtlichen sowie haupt- und nebenberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einen Umgang und eine Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern, die den genannten Zielen gerecht wird. Er unterstützt insbesondere Lehrerinnen und Lehrer dabei, Betroffenen als kompetente und handlungssichere Vertrauenspersonen zu begegnen. Hilfestellungen und Maßnahmen für Verdachtsfälle oder Verletzungen des Verhaltenskodexes sind im Interventionsplan der Schule gegen sexualisierte Gewalt gebündelt.

Verbindliche Verhaltensregeln

Aus dem Leitbild der Schule ergeben sich für alle an den Schulen tätigen Lehrkräfte und Mitarbeitenden grundlegende Verhaltensweisen.

I – Vertrauensvolle Nähe

I.1 – 1:1 Situationen

Einzelgespräche, Übungseinheiten und Einzelunterricht finden nur in den dafür vorgesehenen, geeigneten Räumlichkeiten statt. Wir überprüfen vor dem Gespräch die räumlichen Bedingungen auf Angemessenheit für alle Beteiligten. Die Räumlichkeiten müssen von außen jederzeit einsehbar sein, z. B. indem bei Gesprächsbeginn die Tür nur auf ausdrücklichen Wunsch der Schülerin/des Schülers geschlossen wird. Wir stellen zudem sicher, dass Gespräche zu jeder Zeit abgebrochen und die Räumlichkeiten verlassen werden können und die Möglichkeit für alle besteht, einen Beistand (Mitschülerinnen und Mitschüler, Klassen- oder Vertrauenslehrerinnen und -lehrer) hinzuzuziehen. Wenn ein Kind verbal oder nonverbal zum Ausdruck bringt, dass seine/ihre persönlichen Grenzen überschritten werden, akzeptieren wir dies sofort und kommentieren nicht weiter. Bestehen unsererseits Zweifel über eine mögliche Grenzüberschreitung, fragen wir nach. Die Transparenz der Gesprächsbedingungen (z.B. Gesprächsanlass und Teilnehmer) muss im Vorfeld hergestellt werden. Im Nachgang werden Inhalte, Daten und Teilnehmer in geeigneter Form dokumentiert (Dokumentationsheft im Sekretariat, Kurzprotokoll mit Signatur der Beteiligten bei sensiblen Gesprächen).

I.2 – Körperkontakt

Körperkontakt außerhalb einer akuten Gefahrenlage setzt freie Zustimmung des Kindes voraus und findet nur in begründeten Kontexten statt. Ansonsten ist Körperkontakt nur zur Dauer und zum Zweck der Vermeidung körperlicher Gewalt bzw. bei Versorgungs- und Hilfeleistungen (im Rahmen der unter I.3. beschriebenen Regelungen) erlaubt. Auch ein unangemessenes körperlich und/oder sexualisiert grenzverletzendes Verhalten von Kindern und Jugendlichen untereinander wird nicht geduldet, sondern aktiv unterbunden.

I.3 – Trost- und Hilfesituationen

Wir weisen auf die Notwendigkeit von Hilfestellungen im Sportunterricht hin, thematisieren mögliche und ungewollte Grenzüberschreitungen und sprechen diese offen an, sollten sie vorkommen. Bei der Ersthilfe und pflegerischen Handlungen sind individuelle Grenzen und die Intimsphäre der Kinder und Jugendlichen zu respektieren: Es wird, wo immer die Situation es nicht unmöglich macht, altersentsprechend geklärt, welche Versorgungshandlung erforderlich ist. Die Bezugspersonen achten auf das Schamgefühl des Kindes, auch wenn dieses selber nicht darauf achtet. Für Körperkontakt bei Verletzungsversorgung oder Hilfesituationen gibt es klare Regelungen für Mitarbeitende und den Sanitätsdienst (SSD). Im Zweifelsfall sind die Sorgeberechtigten einzubeziehen und medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Umkleidehilfen finden nie in einer 1:1-Situation statt.

I.4 – Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Schülern

Aufgrund des besonderen Vertrauens- und Autoritätsverhältnisses ist ein reflektierter, nachvollziehbarer und transparenter Umgang zwischen einzelnen Schülerinnen und Schülern und Mitarbeitenden erforderlich. Angesichts der vielfältigen Vernetzung des Gymnasiums Calvarienberg in der Region ergeben sich Überschneidungen von beruflichen und privaten Begegnungen/Kontexten (Bsp. Vereinsleben/Familien). Wir achten auf den professionellen Umgang mit den verschiedenen Rollen von Lehr- und Privatperson und auf eine transparente Kommunikation über diese. Wir verzichten auf gezielte private Treffen mit einzelnen Schülern und Schülerinnen. Geschenke für Lehrer oder andere Mitarbeitende zu bestimmten Anlässen sind nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gestattet. Fahrgemeinschaften mit Schülerinnen und Schülern sollten auf begründete Ausnahmen beschränkt werden, die nur nach Absprache mit Erziehungsberechtigten und Schulleitung erteilt werden können. Versicherungsrechtliche Hürden sind im Vorfeld zu berücksichtigen.

II – Respektvolle Kommunikation

II.1 – Medien

Wir nutzen für die Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern und Erziehungsberechtigten nur schuleigene Messengerdienste von Schule oder Land sowie Dienst-Email. Die private Telefonnummer kann in pädagogisch begründeten Fällen an Schülerinnen oder Schüler herausgegeben werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen soziale Netzwerke, Messengerdienste oder private Telefonate nicht, um berufliche Kontakte mit Schülerinnen und Schülern oder deren Erziehungsberechtigten aktiv zu privaten Beziehungen zu entwickeln. Die Aufnahme und Veröffentlichung von Ton- und Bildaufnahmen bedürfen der Zustimmung der Sorgeberechtigten, die beim Zustandekommen des Schulvertrags erfragt wird. Die Nichterteilung dieser Zustimmung und der individuelle Wunsch der Schülerinnen und Schüler ist zu respektieren. Bild-, Ton- und Videoaufnahmen müssen einen angemessenen schulischen Anlass haben. Regelungen zur Nutzung digitaler Endgeräte im Unterricht sind in der Nutzungsordnung der Schule zu finden.

II.2 – (Sexualisierte) Sprache

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwenden in keiner Form von Interaktion und Kommunikation eine sexualisierte Sprache oder Gestik (z. B. sexuell zu verstehende Kosenamen/Bemerkungen/sexistische „Witze“), ebenso keine abfälligen Bemerkungen und Bloßstellungen (z. B. zur sexuellen Orientierung oder über als unangemessen empfundene Kleidung vor der gesamten Klasse). Wir dulden diese auch nicht unter den Kindern und Jugendlichen, sondern beziehen aktiv Stellung gegen sexistische und diskriminierende Sprache. Insbesondere Lehrerinnen und Lehrer begreifen einen reflektierten Umgang mit Sprache als Entwicklungsauftrag für die ganze Schulgemeinschaft und gehen dabei als Vorbilder voran.

III – Sichere Orte

III.1 – Nutzung von Sanitär- und Umkleideräumen

Sollte die Kontrolle der Umkleiden/Toiletten in begründeten Fällen notwendig sein, kontrollieren nach Möglichkeit Frauen die Damen- und Männer die Herrentoiletten. Sollte dies nicht möglich sein, ist die Tür offen zu halten. Ausnahmen sind dann zulässig, wenn pädagogische Gründe, Nothilfe oder Gefahr im Verzug dies notwendig machen. In allen diesen Fällen werden Räumlichkeiten nur nach vorheriger Ankündigung (z.B. Anklopfen/deutliches Hineinrufen) und angemessener Wartezeit betreten.

III.2 – Klassen- und Kursfahrten

Wir bereiten unsere Schülerinnen und Schüler auf Klassen- und Kursfahrten vor und besprechen mögliche grenzverletzende Situationen zur Wahrung der Privatsphäre sowie den Umgang damit. Dabei wird auch die Wahrnehmung von Nähe und Distanz der Schülerinnen und Schüler untereinander geschult. Bei Fahrten und Veranstaltungen mit Übernachtung, an denen Jungen und Mädchen teilnehmen, ist die Begleitung durch ein gemischtgeschlechtliches Team anzustreben. Heimwehsituationen werden im Vorfeld thematisiert. Kinder wählen eine Freundin/einen Freund, die tröstet und im Bedarfsfall eine Begleitperson hinzuzieht. Bei Übernachtungen im Rahmen von Ausflügen, Fahrten oder anderen Veranstaltungen übernachten Minderjährige einerseits und Begleiterinnen und Begleiter andererseits in getrennten Räumen/Zelten. Mädchen und Jungen übernachten in unterschiedlichen Zimmern oder Zelten. Ausnahmen aufgrund vorab bekannter räumlicher Gegebenheiten oder pädagogischer Gründe bedürfen der Zustimmung der Erziehungsberechtigten, der beteiligten Lehrkräfte sowie der Schulleitung. Lehrerinnen und Lehrer halten sich bei geschlossener Tür nicht alleine mit einem Kind im Schlafraum auf. Für das Betreten von Sanitär- und Schlafräumen gelten die unter III.1 genannten Regelungen. Entstehen unvorhersehbare Situationen und die Lehrkraft muss von den oben genannten Vorgaben abweichen, werden spätestens nach der Veranstaltung die Erziehungsbererichtigten und die Schulleitung über das alternative Vorgehen informiert.

III.3 – Besondere Orte

Die Schule verfügt über Räumlichkeiten, die von Arbeitsgemeinschaften (z.B. SV, Verschönerungs-, Technik-, Theater- oder Näh-AG) oder aus anderen Gründen von Schülern genutzt werden können (z.B. SV-Raum, Abstellräume/Sammlungen einzelner Fachschaften, Lagerräume bei der Aula, MZR-Küche und das sog. „Milchbüdchen“). Diese gelten für die in I.1 genannten 1:1-Situationen als ungeeignete Räumlichkeiten. Sollten sich solche Situationen dennoch nicht vermeiden lassen, gelten die entsprechenden Regelungen (Zugänglichkeit, Einfluss auf Beteiligte, Körperkontakt etc.) ausdrücklich auch. Bei Räumlichkeiten, die speziell für Beratungsgespräche oder 1:1-Situationen verwendet werden (z. B. Elternsprechzimmer, Ganz-Ohr-Raum und Springer-Raum), werden die oben genannten Regelungen zu Transparenz (Beteiligte, Dokumentation) und Zugänglichkeit in besonderer Weise berücksichtigt. In von Schülerinnen und Schülern genutzten „Funktionsräumen“ (z.B. dem Krankenzimmer) ist wiederum auf die Zugänglichkeit bzw. Einsehbarkeit zu achten. Bei der Aufzugsnutzung sind 1:1-Situationen möglichst zu vermeiden.

IV – Umgang mit Verdachtsfällen und Übertretungen

Die vorliegende Erklärung soll keine „Kultur der Verurteilung“ etablieren. Vielmehr ist die Prävention und Intervention von Fällen sexualisierter Gewalt dauerhafter Arbeitsauftrag der Schulgemeinschaft. Ungewollte Grenzverletzungen im Schulalltag kommen vor. Diese sprechen wir offen sowie konstruktiv an und unterstützen uns gegenseitig in der Rehabilitation. Aber zur Klärung und ggf. Aufarbeitung bedarf es Transparenz. Wir hören aufmerksam zu, wenn Schülerinnen und Schüler uns verständlich machen möchten, dass ihnen durch andere Menschen seelische, sexualisierte oder körperliche Gewalt angetan wird. Wir achten auf jede Form persönlicher Grenzverletzung und leiten die notwendigen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz junger Menschen ein. Bei der Bearbeitung von Verdachtsfällen beraten Vertreter der Schulleitung und der Steuergruppe Prävention im Vier-Augen-Prinzip über die angemessene Vorgehensweise. Bei unbewussten und isolierten Übertretungen des Verhaltenskodexes führen Vertreter der Präventionsgruppe mit dem betroffenen Mitarbeitenden ein klärendes Gespräch, bei dem eine Person des persönlichen Vertrauens als Begleitung anwesend sein kann. Das Vorgehen bei Verdachts- und Beschwerdefällen der sexuellen Grenzverletzung, die als Vergehen gegen die Dienstpflicht bzw. strafrechtlich relevant eingestuft werden können, wird im Interventionsplan festgehalten.

[1] Der Begriff Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst hier alle haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, Verwaltungskräfte sowie angestellten und verbeamteten Lehrkräfte der Schulstiftung bzw. des Gymnasiums.