Russlands Ukraine-Krieg

– jahrelang geplant und dennoch nicht entschieden Vortrag von Olaf Jessen

Am 17. März 2022 besuchte Olaf Jessen, Oberst a.D., die Klasse 10c des Gymnasiums Calvarienberg.

Herr Jessen, mehrere Jahre als Militärattaché in Washington, Seoul und zuletzt in Kyiv tätig, ordnete in seinem Vortrag Hintergründe und Konsequenzen des Russland-Ukraine-Krieges und stellte klar, dass dies kein impulsiver, sondern ein lang geplanter Krieg sei. Auf die Schülerfrage hin, wie er selbst die Situation in der Ukraine vor dem Krieg erlebt habe, beschrieb er die westliche Stimmungslage in den modernen Großstädten der Ukraine (Lviv und Odessa). Allerdings sei das Durchschnittseinkommen von 400 EUR, zumal bei der ländlichen Bevölkerung, mit Mitteleuropa nicht vergleichbar. Seit 2014 trenne aber ein „Bruch“ Leben, Land und Leute: An der Waffenstillstands-/Kontaktlinie zwischen Separatisten im Osten der Ukraine und “dem Rest” des Landes, würden Leute, die noch kurz zuvor in Kyiv gefeiert hätten, getötet oder schwer verletzt.

Russlands Ukraine-Krieg - jahrelang geplant und dennoch nicht entschieden Vortrag von Olaf Jessen
Foto: Marie-Charlotte Grywna

Zu Beginn seiner Darstellung über die Hintergründe des Krieges, betonte er, dass Putin keinesfalls ein Spinner sei, sondern in langen Linien denke. Als “glühender Nationalist” habe er anscheinend das Ziel, den Weltmachtstatus der alten Sowjetunion wiederherzustellen. Um dies zu erreichen, wolle Putin internationale und nationale Voraussetzungen schaffen. Dazu gehöre die Abgrenzung von USA und EU, um die NATO zu schwächen. In Russland selbst habe er dafür die Unterstützung der Kirche und der Wirtschaft erlangt, das Militär massiv ausgebaut und unabhängige Politik und Medien zerschlagen. Jahrelang habe Russland sich Auslandswährungen auf die hohe Kante gelegt, um die Sanktionen eine Weile lang aushalten zu können.

Im Folgenden unterstrich Jessen, Putins Reden von der “Entnazifizierung” der Ukraine seien psychologische Kriegsführung gegenüber der Ukraine und sollten für die Bevölkerung Russlands den Tod von Zivilisten rechtfertigen. Zweifellos ergebe diese Aussage keinen Sinn, da die Ukraine in der Vergangenheit sehr unter den Nationalsozialisten hatte leiden müssen und Präsident Selenskyj selbst Jude sei.

Mit den Angriffen auf zivile Ziele, so Jessen, verfolge Russland perfide Ziele: zum einen die moralische Schwächung des ukrainischen Widerstands, zum anderen erhoffe man sich, dass in der EU wegen der Verteilung und Integration der Flüchtlinge Konflikte entstünden, die die Unterstützung für die Ukraine in den Hintergrund drängen würden. Putin habe weder mit dem Widerstand der Ukraine noch mit der entschlossenen und geschlossenen Reaktion des Westens gerechnet. Ob der ukrainische Widerstand aufrechtzuerhalten sei, sei derzeit, so Jessen, zwar Spekulation, sehr wohl könnten, wie einige Schüler fragten, Waffenlieferungen dabei helfen, die russischen Truppen zu schwächen und dadurch die Chance auf Verhandlungen zu steigern.

Viele Schüler trieb die Sorge an, was der Krieg politisch und wirtschaftlich für Europa und Deutschland bedeuten werde. Herr Jessen äußerte dazu seine Ansicht, die deutsche Gesellschaft müsse bereit sein, auf Wohlstand zu verzichten, da dieser Krieg lange anhalten werde. Die Fragen der Schüler, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werde und ob die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung bestehe, verneinte er. Beides hält er für unwahrscheinlich.

Der Russland-Ukraine-Krieg sei ein „Krieg der Bilder“. Daher forderte er abschließend die SchülerInnen eindringlich dazu auf, gerade in den sozialen Medien genau zu prüfen, welchen Bildern man Glauben schenke und welche man teile. Und er betonte, dass man für die Freiheit und Souveränität der Ukraine bereit sein müsse, kleine oder auch größere Opfer zu bringen, um damit dazu beizutragen, dass Wladimir Putin seine Ziele nicht erreiche.

Emil Höfer (Klasse 10c)