I. Kant und die offenen Fragen

Besuch der Philosophiekurse des Calvarienbergs in der Bundeskunsthalle

„Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist kein Zweifel“, so heißt es in der Kritik der reinen Vernunft, dem erkenntnistheoretischen Werk Immanuel Kants, und wurde zum Leitfaden für den Besuch der Philosophiekurses des Gymnasiums Calvarienberg in der Bundeskunsthalle. Denn die Ausstellung bemühte sich redlich, das umfassende theoretische Werk des Philosophen der Aufklärung anschaulich und nah am Leben des großen Denkers zu gestalten.

So war die Ausstellung nach den vier kantischen Fragen – Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? – aufgebaut, flankiert durch zahlreiche Informationen zu Jugend, Studium und Zeit als Professor an der Königsberger Universität. Illustriert wurde dies durch eine anschauliche Bilderreise der Designerin und Illustratorin Antje Herzog und auch durch den Einsatz von Virtual Reality, was bei den Schülern auf großen Anklang stieß. Auf diese Weise konnten die jungen Besucher viele Eigenarten, Vorlieben und die Routine Kants kennenlernen: So liebte es der Philosoph, mit ausgewählten (und klugen) Freunde zu speisen, und sparte dabei nicht an gutem Essen. Sein Tagesablauf folgte stets dem gleichen Muster, sodass die Trennung von seinem Diener Lampe, der ihn in der täglichen Routine unterstützte, nach über 40 Dienstjahren umso mehr auf Verwunderung bei den Schülern stieß.

Der Kuratorin der Ausstellung, Agniezka Lulińska, gelang es aber gleichzeitig, den hohen geistigen Inhalt der Werke des Philosophen des späten 18. Jahrhunderts durch große Transparente und Auszügen aus seinem Werk verbunden mit experimentellen Stationen oder künstlerischen Werken verständlich zu machen und diesem seinen gebührenden Platz und Raum zu geben.

„Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung.“ So setzt sich das Zitat aus der Kritik der reinen Vernunft fort und so endete auch der philosophische Museumsbesuch mit dem Einblick in das geistige Werk des bedeutenden Philosophen und einem tiefergehenden Verständnis sowie erkenntnistheoretischen Zugewinn, der weit über die Erfahrungen des gemeinsamen Besuches hinausging.

Dr. Annette Gies